Kodierte Räume

für Orchester mit Elektronik (1996/97)

Dauer: ca. 22 min
Uraufführung: Essen, 24.11.1997

GEMA-Nr.: 4262064

Medien


Ob rundum verkabelt, mit Satellitenschüssel auf dem Dach oder doch nur über gewöhnliche Antenne mit der Außenwelt verbunden: Simulierte oder, nachrichtentechnisch gesprochen, kodierte Räume sind für uns so alltäglich, daß wir keine besonderen Gedanken daran verschwenden, wie grundlegend unsere gesamte Orientierung durch die technischen Medien beeinflußt wird.

Einerseits ist die Schein-Verfügbarkeit und Schein-Reproduzierbarkeit, die suggeriert wird, beängstigend, da sie uns in eine vermeintlich aktivere, spannendere Welt lockt und dabei völlig passiv macht, andererseits bieten diese Medien aber auch Möglichkeiten zu echten Erweiterungen unseres Denkens und Fühlens, die Auslöser für ein intensiveres Erleben auch unserer direkten Umgebung sein können.

Auf unterschiedlichen Ebenen dringen in diesem Stück elektronische Mittel in den Konzertsaal, in den Raum des Orchesters ein. Zu Beginn spielen beispielsweise zwei "Off-Trompeten" in einem schalldichten Nebenraum und werden nur über vier Lautsprecher in das Orchester übertragen. Sie wirken durch die Mikrophonierung zwar fast näher als die Orchesterinstrumente, die gewissermaßen "querstehenden", abrupten Reglerbewegungen (von vier Spielern im Orchester ausgeführt) unterstreichen aber die Distanz zum Original: Es ist sozusagen überall und nirgends.

Dies ist nur der Einstieg in einen Strom von echten Reglerbewegungen und orchestralen Analogien dazu, von Duos und Tutti unterschiedlicher Präsenz, von Spiegelkabinettwirkungen, die durch elektronische Verzögerung des Orchesters entstehen, und vielem anderen mehr.

Wichtig war es mir dabei, die scharfen Grenzen zwischen Original und Simulakrum zu verwischen, so daß selbst zum normalen Orchesterklang zeitweise eine seltsame Distanz entsteht und das vermeintlich Vertraute fremd, schwierig dekodierbar wird. Diese Distanz wird jedoch immer wieder durchstoßen, mitunter auch nur durch ganz Leises, das plötzlich ganz direkt wirkt. Die Verwirrung der Perspektiven bleibt unaufgelöst, nirgends wird ein Halt in diesen Räumen versprochen – zum Glück, denn: "Das Begeisternde ist nicht das, was wir sehen, sondern das, was wir hinter dem uns Sichtbaren wittern." (Vilém Flusser)